Ich habe diese Woche als Hospitant im Bestattungsinstitut verbracht. Der nächste Roman wird einer über Trauer, Sterben, Freundschaft und Verluste, und ich wollte wollte ganz nah ran. Weil ich bei „Immer noch wach“ und „Nur ein paar Nächte“ gemerkt habe, was es für einen Unterschied macht, ob ich mir Dinge nur anlese, oder ob ich sie so gut es geht selbst erlebe. Für „Immer noch wach“ war ich damals im Hospiz. Und diesmal ergab sich über eine Freundin dieser Kontakt zu Häfner & Züfle und ein Vorstellungsgespräch später war klar, dass ich für eine Woche dabei sein darf.
Ich hab meine schwarzen und noch nicht ganz so abgetragenen Sachen zusammengerafft und hab gesagt, ich mach alles mit. Fünf Tage lang also Verstorbene abholen, sie versorgen, bei ihrer Verabschiedung dabei sein, sie ins Krematorium bringen und ihre Asche wieder holen. Ich hab wirklich unterschätzt, wie viel ich unterwegs sein würde in dieser Woche. Aber natürlich müssen Verstorbene abgeholt werden und auch irgendwo hingebracht. Und ich war überrascht, wie handwerklich dieser Beruf auch ist. Dass es nicht nur darum geht, gut zuhören zu können und Angehörige die Möglichkeit zur Trauer zu geben, sondern eben auch darum, einen Sarg vorzubereiten und mit Verstorbenen umzugehen.
Die ersten beiden Tage haben mich ziemlich überfordert und mir viel abverlangt, weil zwar schon Verstorbene gesehen habe, sie im Hospiz auch berührt habe, aber eine verstorbene Person zu versorgen, ist ein anderes Kaliber. Aber hier liegt für mich auch das Eindrücklichste dieser Woche, das grundsätzliche Dilemma dieser Arbeit: Damit der verstorbene Mensch mit all der Würde verabschiedet werden kann – als Mensch, der gerade ein Leben voller Liebe, Verlust, Trauer, Hoffnung und Schmerzen hinter sich hat – muss ich beim Versorgen genau diese Tatsache manchmal ganz weit von mir weg schieben, sonst könnte ich nicht damit umgehen.
Und ein anderer Aspekt, der mir in dieser Woche klar wird: Es ist ein riesiger Unterschied, wo mein Fokus liegt. Auf den Verstorbenen oder auf den Hinterbliebenen. Welche Wünsche liegen schwerer?
Wie auch im Hospiz ist das eine Arbeit, die mich Abends nicht losgelassen hat. Glücklicherweise habe ich ein Umfeld, in dem ich ganz viel durch Gespräche aufarbeiten kann. In einem Bestattungsinstitut zu arbeiten, ist emotional und körperlich anstrengend, es bringt mich an meine Grenzen und zwingt mich, über Dinge nachzudenken, die nicht immer die Schönsten sind. Aber am Ende ist es eine sehr menschliche und großartige Arbeit, die neben all der Trauer und dem Leid mit sehr viel Lebensfreude einhergeht. Und am Ende der Woche ist da tatsächlich der Gedanke, ob ich nicht noch länger dort arbeiten könnte. Aber erstmal schreibe ich dieses Buch.
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