Es musste mitten in der Nacht gewesen sein, als er die Decke zurückwarf, aufstand und seinen Morgenmantel überwarf. Leise und vorsichtig lief er durch den Flur, der nur vom Licht des Mondes erhellt wurde. Er kannte das alte Farmhaus genau. Er war hier geboren worden und hatte fast sein ganzes Leben hier verbracht. Auch in völliger Dunkelheit fand er sich zurecht und wusste ganz genau, welche Dielen knarrten. Er ging durch den kalten Wohnraum – das Feuer im Kamin war schon seit Stunden erloschen – und ging in den wärmsten Raum des Hauses. Die Küche. Grace, die Haushälterin war noch bei den letzten Arbeiten, anscheinend bereitete sie schon das Essen für den nächsten Tag vor.
Grace war nicht nur Angestellte, Grace war Teil der Familie. Früher war sie sein Kindermädchen gewesen und dann, als er in den Krieg zog, war sie einfach geblieben. Seufzend setzte er sich an den Tisch, Grace stellte ihm ein Glas Wasser hin.
„Kann der Herr nicht schlafen?“
Er schüttelte den Kopf.
„Zu viele Gedanken und Sorgen halten den Kopf wach.“
„Ist irgendetwas passiert? Ist jemand erkrankt?“
„Nein, nichts passiert, niemand erkrankt. Das Geschäft, das Streben nach Glück zerbricht mir den Kopf. Sag mir Grace, wollen die Menschen immer mehr? Warum können sie nicht glücklich sein?“
„Schmeckt dir dein Glas Wasser, Herr?“
Er nickte und leerte das Glas in einem Zug.
Grace füllte das Glas erneut mit Wasser. Sich selbst aber presste sie zwei Orangen aus und trank den frischen Saft. Fast neidisch sah er ihr zu.
„Machst du mir auch ein Glas mit Oragensaft?“
Grace lächelte.
„Ich dachte, dein Wasser ist gut?“
„Ja, aber Oragensaft ist besser.“
Grace stellt ihm das neue Glas hin.
„Du wärest vollkommen glücklich mit dem Wasser gewesen, hättest den Saft nicht gesehen, Herr. Du musst lernen, das Glück im Wasserglas zu sehen.“
Die Gedanken zum Text gibt’s hier.
Eine Version des Textes wurde abgedruckt in der „Anthology der Gier“, hg. von michason & may.
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