Corinna von geekin.de hat einen schönen Beitrag über ein paar „Vorurteile“ geschrieben, die über die Pairatenpartei vorherrschen.
Ich habe den Artikel über den Womblog gefunden und dieser endet mit den Worten:
Also, Bühne frei für Corinna:
11 Richtigstellungen zur Piratenpartei
Zu folgenden Punkten:
- Piratenpartei? Ach, ihr seid doch nur eine Spasspartei!
- Warum habt ihr dann diesen Namen?
- Ihr seid doch die, die alles kostenlos aus dem Internet runterladen wollen!
- Hm, dann wollt ihr nicht das Urheberrecht abschaffen?
- Ihr seid doch nur für Internet-Benutzer interessant
- Aber trotzdem wollt ihr doch, dass das Netz ein rechtsfreier Raum bleibt, oder?
- Seid ihr nun eigentlich rechts oder links?
- Benachteiligt die Piratenpartei Frauen?
- Ihr habt ja gar nix zu Sozial-/Umwelt-/Wirtschaftspolitik in eurem Programm!
- Warum versuchen eure Mitglieder nicht in den etablierten Parteien etwas zu bewegen?
- Und wenn ihr die 5%-Huerde nicht schafft? Dann verschwende ich doch meine Stimme …
Disclaimer: Auch wenn ich im weiteren Verlauf von der Piratenpartei oft als “wir” spreche, ist dieser Artikel natürlich keine offizielle Äußerung der Partei, sondern nur von mir als einzelnem Mitglied.
1. Piratenpartei? Ach, ihr seid doch nur eine Spasspartei!
Unser Name mag nicht besonders seriös wirken, aber unsere Themen sind sehr ernst: Stärkung der Bürgerrechte, Schutz der Privatsphäre, mehr direkte Demokratie und freier Zugang zu Bildung. (Vollständiges Wahlprogramm lesen.)
Eine Spaßpartei würde kaum eine solche Eintrittswelle (von unter 1000 auf über 8000 Mitglieder in nur 4 Monaten) und ein solches Engagement auslösen. Und das vor allem in Altersgruppen die bisher als politikverdrossen abgeschrieben wurden.
2. Warum habt ihr dann diesen Namen?
Die allererste Piratenpartei entstand in Schweden als Reaktion auf die Musikindustrie, die Filesharer als “Verbrecher” und “Piraten” bezeichnete. Die Gründer nahmen den Begriff ironisch auf und wollten ihn positiv besetzen. Als sich in ganz Europa und darüberhinaus Schwesternparteien gründeten, übernahmen sie den Namen. Auch mich hat der Name anfangs sehr befremdet, aber nachdem man sich erstmal mit dem Namen angefreundet hat, bietet er viel kreatives Gestaltungspotenzial 🙂 Außerdem zählen doch die Inhalte, oder nicht?
3. Ihr seid doch die, die alles kostenlos aus dem Internet runterladen wollen!
Nein, es geht uns nicht um kostenlose Downloads. Uns ist durchaus klar, dass Künstler eine angemessene Bezahlung verdienen!
Aber das Internet ändert gerade massiv und unumkehrbar die Spielregeln: Bisher gibt es Künstler, Konsumenten und die Verwertungsgesellschaften. Die Verwerter waren ursprünglich dazu da, Kultur zugänglich zu machen. Sie kaufen Künstlern die Rechte an deren Werke ab und vervielfältigen sie. Dabei entstand ein einträglicher Markt. Rechteverwerter verdienen im Normalfall viel mehr an den Kulturgütern, als diejenigen, die sie erschaffen haben.
Die jetztigen Verwertungsmodelle, pervertieren oftmals die ursprünglichen Absichten, so ist z.B. eine junge Sängerin finanziell ruiniert, weil sie für ihre Konzerte GEMA-Gebühren für ihre eigenen Stücke zahlen muss oder die FAZ kann Artikel von Elke Heidenreich ohne deren Einverständnis als Buch veröffentlichen.
Seit einigen Jahren macht das Internet die Verwerter als Vervielfältiger überflüssig. Es gibt bereits erfolgreiche Geschäftsmodelle mit denen Kulturschaffende ihre Werke direkt an ihre Konsumenten verkaufen, sowohl große international bekannte wie Radiohead, als auch kleine weniger bekannnte wie Angelika Express.
Kein Wunder, dass die Lobby der Verwerter – Musik-Labels, Verlage und Film-Verleihe – laut aufschreit und versucht ihre Pfründe zu sichern.
Die Piratenpartei wehrt sich dagegen, dass Filesharer kriminalisiert werden. Sich privat eine Kopie z.B. von der CD eines Freundes zu machen, ist vollkommen legal und sollte es auch bleiben, wenn diese Kopie digital ist.
Kopien die verkauft werden (Raubkopien) sollten weiterhin illegal sein.
4. Hm, dann wollt ihr nicht das Urheberrecht abschaffen?
Nein, wir wollen das Urheberrecht reformieren um den Interessen von Urhebern und Konsumenten gleichermaßen Rechnung zu tragen. Das Urheberrecht in seiner jetztigen Form war ja auch nicht immer so.
Mehr zur Urheberrechtsreform finden Sie in unserem Wahlprogramm.
5. Ihr seid doch nur für Internet-Benutzer interessat
Wieder ein klares Nein. Unsere Themen berühren unser alltägliches Leben:
- Abbau unserer Bürgerrechte
- zunehmende Überwachung, on- wie offline z.B. durch Kameras oder Handyortung
- die zentrale Speicherung unserer Krankenakten auf der Gesundheitskarte
- Studiengebühren & Büchergeld
- Abgeben unserer Fingeabdrücke
- Einsicht in unsere Konten für die USA
- …
Es stimmt, dass die Ursprünge der Piratenpartei im Internet liegen und das wir uns ohne niemals so schnell zu einem handlungsfähigen Ganzen hätten organisieren können, aber unsere Ziele betreffen weit mehr als das Internet.
6. Aber trotzdem wollt ihr doch, dass das Netz ein rechtsfreier Raum bleibt, oder?
In aller Deutlichkeit: Das Internet war nie ein rechtsfreier Raum. Bei der Phrase vom “rechtsfreien Raum” handelt es sich um eine populistische Redewendung von Politiker auf Stimmenfang. Tatsächlich ist alles was im Internet verfügbar ist, irgendwo auf der Welt auf einem Computer (genannt “Server”) gespeichert. Die Inhalte sind nach dem Recht des Landes strafbar, in dem dieser Computer steht. Alles was auf deutschen Servern angeboten wird, ist also hier strafbar. Politiker verweisen an dieser Stelle gerne auf Server im Ausland, an die man dann nicht drankomme. Schwerwiegende Straftaten sind in jedem Land mit nennenswerter IT-Infrastruktur strafbar. Gerade bei der gern herangezogenen Kinderpornographie hat es Frau von der Leyen noch nicht geschafft ein Land zu nennen, in dem Kinderpornographie kein Straftatbestand ist. (Versucht hatte sie Kasachstan, Indien und “den Ostblock”, die aber sämtlichst Gesetze dagegen haben.)
An dieser Stelle hat es ein besonderes Geschmäckle, dass Phishing-Seiten, die versuchen Bank- und Kreditkartendaten zu ergaunern, binnen Stunden gelöscht werden, egal wo sie auf der Welt liegen. Dort geht also was bei kinderpornographischen Inhalten angeblich nicht geht, weswegen wir unbedingt eine Zensurinfrastruktur brauchen, die für ihren vorgeblichen Zweck technisch völlig ungeeignet ist. An dieser Stelle mag jeder seine eigenen Schlüsse ziehen…
Um zur Ursprungsfrage zurückzukehren: Wir wollen, dass das Internet zensurfrei bleibt und darüberhinaus Netzneutralität garantiert wird. Schon jetzt hat das Netz die Lebenswelt weiter Teile der Bevölkerung massiv verändert. Es öffnet ungeahnte Möglichkeiten des Austauschs mit anderen Menschen und den Zugang zum Wissen der Welt. Das wird sich ähnlich radikal auswirken, wie die Erfindung des Buchdrucks. Damals wie heute, betrachtet man neue Kulturtechniken mit Skepsis. Netzferne konzentrieren sich auf schlechtes im Internet, aber vergessen das enorme Potenzial für Wissen, Kultur und Partizipation – auch und gerade für Personen die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind.
All die schlimmen Dinge die dem Internet momentan angekreidet werden, wie z.B. Mobbing, passieren auch im wahren Leben. Manche schlimmen Dinge, wie z.B. Körperverletzung gehen aber nicht. Insgesamt ist das Internet genau so gut oder schlecht wie die Menschen darin.
7. Seid ihr nun eigentlich rechts oder links?
Die meisten Leute irritiert, dass sich die Piraten nicht in das gängige Links-Rechts-Schema einordnen lassen. Wir selbst sehen uns als weder links noch rechts und am ehesten als humanistische Partei. Wenn man statt des einfachen Links-Rechts ein Wertedreieck zugrunde legt, wird klar, dass die Piratenpartei eine bisher unbesetzte Nische abdeckt.
8. Benachteiligt die Piratenpartei Frauen?
Ich, die ich diese Zeilen schreibe und eine Frau bin, finde das schonmal nicht. Mehr dazu schreibt Bianca im Piraten-Newsletter.
9. Ihr habt ja gar nix zu Sozial-/Umwelt-/Wirtschaftspolitik in eurem Programm! Eine Partei die regieren will, muss darauf Antworten geben!
Ich sehe die thematische Einschränkung als Vorteil, weil meine Stimme so einem ganz bestimmten Themenbereich in den Fokus rückt.
Momentan äussern wir uns nur zu den Themen von denen wir wirklich Ahnung haben. Im Zuge unseres gewaltigen Mitglieder-Zuwachses werden wir schon in naher Zukunft Positionen zu weiteren wichtigen Themen erarbeiten können. Bis dahin wenden wir das Nuhr’sche Prinzip an, was ich mir auch von anderen Politikern dringend wünschen würde.
Ansonsten werden wir, falls wir die 5%-Hürde überspringen, nicht allein im Parlament sein und müssen daher (noch) nicht auf alles eine Antwort haben.
Hier ein Beispiel, wie die Grundhaltung der Piratenpartei auf andere Bereiche ausgedeutet werden kann. Und ich zumindest habe für nach der Bundestagswahl schon mehrere soziale Missstände im Auge, die ich gern mit und durch die Piraten angehen würde.
10. Warum versuchen eure Mitglieder nicht in den etablierten Parteien etwas zu bewegen?
Ich glaube einfach nicht mehr daran, dass die Regierung bzw. die Parteispitzen sich ohne Druck bewegen. Eine neue, überraschend erfolgreiche Partei die Stimmen, dadurch bares Geld und bequeme Posten und Pöstchen kosten kann, erzeugt diesen Druck.
Als es um die Internetsperren ging, waren die meisten Partei-Jugendorganisationen dagegen, konnten sich aber innerhalb ihrer Partei kein Gehör verschaffen.
Wenn ich meine Stimme den Grünen gebe, weiss niemand, ob mich Umweltpolitik oder Bürgerrechte dazu bewegt haben. Bei den Piraten ist meine Motivation klarer. Abgesehen davon, haben die Grünen während ihrer Regierungszeit Schilys Otto-Kataloge abgesegnet, auf denen Schäuble dann aufgebaut hat. Auch für die FDP sind Bürgerrechte nur ein Lippenbekenntnis: Obwohl sie versucht sich im Bundestagswahlkampf als Bürgerrechtspartei zu positionieren, hat sie gerade soeben, am 21.9.2009, in Sachsen für mehr Überwachung gestimmt.
Ausserdem will sie mit der CDU koalieren. Dreimal dürfen wir raten, wer dann Innenminister bleibt…
11. Und wenn ihr die 5%-Huerde nicht schafft? Dann verschwende ich doch meine Stimme …
Erstens sind die 5% bei der aktuellen Dynamik gar nicht sooo unrealistisch und zweitens ist eine Stimme für die Piraten nie verschwendet, sondern immer ein deutliches Zeichen für Bürgerrechte, Freiheit und Demokratie. Warum das so ist, hat Martina hier wunderbar zusammengefasst.
Bitte geh am 27. September wählen! (Selbst wenn es nicht die Piraten werden.)
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