Der erste Satz aus Blauschmuck:
Wir Kinder sind eine Herde.
Blauschmuck kommt mit einem so schönem Cover, das mich das Buch sofort in die Hand nehmen lässt. Aber die Geschichte einer türkischen Frau, einer türkischen Ehe voller Gewalt hatte mich nicht angesprochen, weshalb ich nicht vorhatte, es zu lesen. Aber dann habe mich so viel positives gehört und gelesen, dass ich dachte, gib dem Buch eine Chance.
Ein guter Gedanke, denn Katharina Winkler erzählt mit einer Wucht. Es ist immer noch die leider viel zu oft gehörte Geschichte von Gewalt in einer Ehe, oft einem nicht durchschaubarem System von Ehre geschuldet. Aber Katharina Winkler erzählt diese Geschichte einer einzigartigen Sprache, einer sehr verkürzten, lyrischen und unglaublich bildhaften Sprache. Ein Beispiel, der „Blauschmuck“, das sind die blauen Flecken, welche die Frauen an verschiedenen Stellen ihres Körpers tragen. Katharina Winkler greift dabei nicht auf abgedroschene Bilder, Symbole und Metaphern aus der deutschen Sprache zurück, sondern verwendet für meine Ohren, für mein Leseempfinden neue Bilder, extrem poetisch. Eben diese Bildhaftigkeit bringt mir den brutalen, den gewaltsamen Inhalt viel näher, als es eine nüchterne Beschreibung der Tatsachen.
Es ist ein schmales Buch, manche Seiten sind nur zum Drittel beschrieben und in zwei Bahnfahrten ist man durch. Aber kaum ein anderes Buch hat noch so lange in mir nachgehallt. Schon beim lesen und lange danach war ich aufgewühlt und wütend und wusste aber nicht, auf wen ich wütend sein soll. Auf Yunus, den gewaltvollen Mann in der Geschichte? Auf ein Land, eine Tradition, eine Kultur in der so ein Rollenbild, so ein Begriff von Ehre kultiviert wird? Auf der anderen Seite, solche Männer, solche Traditionen gibts es in allen anderen Ländern auch.
Im besten Fall hinterfragt der Roman anhand grundsätzlich Rollenbilder und Traditionen, an einem Beispiel einer türkischen Ehe. Leider kann man dieses Beispiel aber auch als „Warnung vor der Islamisierung“ nutzen. Was auch immer eine Islamisierung sein soll.
Eine Sache, die mich nicht an der Geschichte, aber am Buch gestört hat, sind die offenen Fragen. Im Klappentext und auf den ersten Seiten steht explizit, „Dies ist eine wahre Geschichte“. Nach der Lektüre gibt es noch einen Abriss, wie es mit Filiz, der Protagonistin, weitergegangen ist. Und es ist ganz klar, dass es nicht die Geschichte von Katharina Winkler selbst ist. Dann frage ich mich aber, woher sie diese Geschichte kennt, wie sie dazu kommt, sie aufzuschreiben. Die Antwort darauf erzählt sie natürlich in vielen Interviews, warum sie nicht in einem kurzen Abschnitt noch im Nachwort erwähnt wird, verstehe ich nicht.
Ich will nicht sagen, es ist ein gutes Buch, weil das in mehrerer Hinsicht die falsche Bezeichnung für diese Geschichte wäre. Es ist ein krasses, und sehr lesenswertes Buch.
Blauschmuck von Katharina Winkler erschien bei Suhrkamp. Der Verlag ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt.
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