Ich habe 2004 in Rom zum ersten Mal eine Honda Zoomer gesehen und mich schockverliebt. Ich wusste, wenn ich irgendwann Mal einen Roller „brauche“, dann soll es so einer sein. Vier Jahre später, relativ frisch in Stuttgart und in meinem ersten Job beim Radio, da würde mir ein Roller beim pendeln ein bisschen Zet sparen beim. Also suche ich online, bis ich irgendwann eine Honda Zoomer in Gelb finde, die mir sofort gefällt. Nur steht sie in der Nähe von Köln.
Weil die Sprache der Liebe meines Vaters aber Hilfsbereitschaft ist, leihen wir uns von Bekannten einen Anhänger und fahren nach Köln. Nach einer Runde auf dem Parkplatz des Händlers fahre ich den Roller auf den Anhänger und kann die ganze Fahrt nach Hause nicht die Augen vom Roller lassen. Für knapp zwei Jahre ist Maja (wie die Biene) mein tägliches Gefährt, um zur Arbeit zu kommen. Nachdem ich 2010 mit dem Studium anfange, steht der Roller fast nur rum. Aber ich bringe es nicht übers Herz, ihn zu verkaufen. Nach 2012 ist der Roller in Europa nicht mehr neu verfügbar. Spätestens jetzt ist klar, dass ich meinen behalte, auch wenn er die meiste Zeit nur hinterm Haus steht.
Sprung zu Ende 2023. Es ist klar, dass wir nach Hamburg ziehen werden, sobald wir eine Wohnung finden. Und direkt ist mir klar, wenn das passiert, dann fahre ich mit dem Roller, der höchstens 45 km/h fährt, von Stuttgart nach Hamburg.
Seit Ende 2024 haben wir unsere Wohnung in Ottensen, jetzt muss ich nur noch ein bisschen Zeit im Sommer finden, um den Trip zu machen. Letzte Woche war’s soweit.
Ich hab mir für die Navigation ein Beeline Moto 2 gekauft, ein kleines Navigationsgerät für Motorräder, damit ich nicht immer wieder auf’s Handy gucken muss. Das Navi funktioniert auch für’s Fahrrad, die letzten Wochen bin ich damit durch Hamburg gefahren, hab die Stadt besser kennengelernt. Ansonsten habe ich eine Powerbank, eine Insta 360 X3, eine Regenhose und Spanngurte eingepackt, alles zusammen mit meinen Klamotten in einem großen Wanderrucksack. Ohne das vorher getestet zu haben, hatte ich vor, den Rucksack zwischen meine Beine zu packen und festzuspannen, damit ich ihn nicht die ganze Zeit tragen muss und der Schwerpunkt tiefer liegt.
In den Wochen vorher habe ich mir eine Route überlegt, die mich jeden Tag zwischen 115 und 180 Kilometer weiterbringt und jeweils in einer Stadt endet, in der ich jemanden kenne, bei dem ich übernachten kann:
Stuttgart – Tauberbischofsheim – Fulda – Göttingen – Hannover – Hamburg
Fünf Tage. Ich komme Freitagabend in meiner alten WG an, verbringe noch einen schönen Abend mit Freund:innen, dann geht es am Samstag los.
Tag 1: Stuttgart – Tauberbischofsheim
Nachdem klar ist, dass mein Rucksack tatsächlich zwischen Sitz und Lenker passt, verabschiede ich mich von Hannah und Robert und fahre los, aus dem Stuttgarter Westen in den Osten und durch den Tunnel nach Bad Cannstatt. Der Teil durch Stuttgart ist der zähste und anstrengendste. Aber da ist der Typ auf einem orangenem Roller, der eine Weile neben mir fährt, für ein paar Kilometer verschwindet und plötzlich wieder neben mir ist, das ist witzig.
Dann bin ich aus der Stadt raus, jetzt kommen Landstraßen und die Sonne scheint. Das sind die schönsten Momente, sie kommen immer wieder auf der Reise. Diese erste Etappe dauert relativ lang, knapp fünfeinhalb Stunden bin ich unterwegs für 150 Kilometer. Dann komme ich bei Sascha und Ina, meiner Schwägerin und ihrer Familie an und werde vollkommen umsorgt. Kuchen und Essen und Gespräche und Spielen mit den Neffen. Und letztendlich ein Bett.
Tag 2: Tauberbischofsheim – Fulda
Noch gemeinsam frühstücken, dann geht’s los. Am Abend vorher habe ich den Roller wieder vollgetankt. Das wird das tägliche Ritual: Sobald ich angekommen bin, lade ich den Rucksack ab und fahre nochmal tanken. Der Tank ist unter dem Fußbrett und deshalb nicht erreichbar mit dem Rucksack drauf. Jetzt kann ich ihn wieder draufpacken. In der Nacht und über den Morgen regnet es, deshalb warte ich den Schauer ab und packe mich in meine Regenmontur ein. Mein ehemaliger Vermieter in Stuttgart fährt selbst Motorrad und als ich ihm erzähle, was ich vorhabe, hat er mir noch bessere Handschuhe, eine Regenjacke und Stulpen für die Schuhe zugesteckt. An diesem Morgen habe ich zum ersten Mal alles an. Ab jetzt werde ich jeden Morgen alles anziehen.
Die Fahrt ist 35 Kilometer und zwei Stunden kürzer, fast durchweg über schöne Landstraßen und durch Dörfer, mit ein paar Serpentinen und durch ein paar Wälder. Ein bisschen nass ist es, sonst aber geht alles gut. In der Nähe von Fulda komme ich bei Jana an, gehe tanken und danach geht’s mit dem Hund in den Wald.
Vor der Tour saß ich höchstens mal für 50 Kilometer auf dem Roller. Ich hatte gedacht, falls irgendwas schief geht oder ich das nicht so lange auf dem Roller aushalte, dann stelle ich ihn eben irgendwo ab und hole ihn mit dem Camper. Tatsächlich geht’s mir aber bis zum Ende ganz gut, nur der Rücken schmerzt irgendwann. Trotzdem ist es sehr sinnvoll, neben den Fahrten noch ein bisschen Bewegung zu haben.
Wieder viele Gespräche, wieder gutes Essen, wieder ein Bett. Obwohl ich ja fast nur sitze in den Tagen, bin ich jede Nacht extrem erschöpft und früh im Bett. Eigentlich dachte ich, Abends noch ein bisschen schreiben zu können, komme aber zu gar nichts.
Tag 3: Fulda – Göttingen
Es sieht wieder nach Regen aus. Also verabschiede ich mich komplett eingepackt von Jana und Julian und Artus und fahre los, knapp 160 Kilometer in fast 5 Stunden. Ich werde schneller und gewöhne mich an das Fahren, komme gut und schnell durch, auch wenn es manchmal heftig regnet. Ein Glück hält die Montur mich trocken. Nur kommen jetzt immer längere Strecken auf Bundesstraßen und die sind anstrengend. Wenn so ein LKW dich überholt, das ist ganz schön beängstigend. Schlimmer noch eigentlich die entgegenkommenden LKW und der Sog, den sei erzeugen. Ähnlich schlimm auch manche Autos, die mich manchmal sehr knapp überholen. Am frühen Nachmittag komme ich in Göttingen an, bei Sandra und Marius. Wir haben uns schon viel zu lange nicht gesehen, spazieren gemeinsam durch Göttingen und reden, danach noch Essen und noch mehr Gespräche, bis ich irgendwann auf der Couch einschlafe.
Tag 4: Göttingen – Hannover
Sturmwarnung und Windböen. Also nach dem Frühstück wieder in die Montur und ab auf den Roller. Diesmal komme ich wieder in Regen. Glücklicherweise mit 110 Kilometer und dreieinhalb Stunden die kürzeste Tour. Dann bin ich bei Ric und Niko und Lena und ihren Jungs. Wieder Gespräche und Essen, diesmal aber auch einfach viel auf der Couch sitzen und erschöpft sein. Ich freue mich auf ein frühes Bett.
Tag 5: Hannover – Hamburg
Ich bin ehrlich gesagt ziemlich erstaunt, wie gut die ganze Tour geklappt hat, wie gut der Roller mitmacht und wie okay ich mit den langen Strecken bin. Der letzte Tag ist auch der ärgste, mit knapp 6 Stunden und 170 Kilometern. Die letzten 30 davon innerhalb Hamburgs. Und dann fast vor dem Ende führt mich das Navi über die Köhlbrandbrücke. Kann ich leider gar nicht so richtig genießen, weil ich mit komplett gezogenem Gashebel versuche, schneller zu sein als der LKW hinter mir. Und dann biege ich in meine Straße ein und bin da. Nach 703,2 Kilometern und etwa 23 Stunden Fahrtzeit. Krass.
Jetzt bin ich seit ein paar Tagen wieder zuhause. Jedes Mal, wenn ich am Roller vorbeilaufe, freue ich mich genauso, ihn zu sehen, wie damals vor 20 Jahren.
War eine sehr schöne Tour und ich bin all den Menschen dankbar, bei denen ich schlafen konnte und die sich immer wieder erkundigen, ob alles okay ist. Ich liebe diesen Roller wie damals. Aber ich bin auch sehr okay damit, eine ganze Weile nicht so lange drauf sitzen zu müssen.
PS: Ich hab das ganze mitgefilmt. Wenn ich mich durchringe und mit der Software auseinandersetze, gibt’s vielleicht ein Video.


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